SZ vom 13.02.2001 Hochschulseite

Prominenz ohne Potenz
Die groß angekündigten Bündnisse und Foren für Bildung kommen nicht voran oder produzieren nur Allgemeinweisheiten / Von Marco Finetti

Die Idee klang gut, bestechend gut sogar. „Wir brauchen ein Bündnis für Bildung“, forderte Anfang Juni letzten Jahres Ernst Ludwig Winnacker, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), in der Süddeutschen Zeitung. Angesichts unzureichender Bildungsinvestitionen, fehlender Studenten in den Natur- und Technikwissenschaften und schlechter Noten für Deutschlands Schulen und Schüler müssten Bildung, Wissenschaft und Forschung ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden. Politik, Wissenschaft und Wirtschaft sollten mit von der Partie sein, aber auch prominente Sportler und Showgrößen. „Jetzt müssen alle guten Köpfe an einen Tisch“, so Winnacker.

Zumindest einer wollte sich dazu nicht lange bitten lassen. Willi Lemke, dem Bremer Bildungssenator und letztjährigen Präsidenten der Kultusministerkonferenz (KMK) schwebte ebenfalls eine konzertierte Aktion für die Bildung vor. Die Spitzen der deutschen Forschungsförderung und der Kultusminister als Taufpaten – die Startchancen für eine große Bildungsinitiative konnten nicht besser sein.

Doch auch fast neun Monate später ist vom „Bündnis für Bildung“ noch immer nichts zu sehen, existiert die „breite gesellschaftliche Bewegung für Bildung und Wissenschaft“ (Winnacker) weiterhin nur in der Phantasie. „Das lässt sich leider nicht so glatt realisieren wie anfangs gedacht“, räumt Willi Lemke ein. Was freilich noch untertrieben ist: Gleich mehrfach in den letzten Monaten wurde die Gründung des Bündnisses verschoben, inzwischen scheint das Projekt sogar ganz in Frage gestellt zu sein.

Dabei fehlt es nicht an potenziellen Partnern. Seit dem Sommer haben Lemke und Winnacker prominente Mitstreiter gewinnen können. Aus der Wirtschaft wollen Hilmar Kopper (Deutsche Bank) und Erwin Staudt (IBM) mitmachen, aus der Wissenschaft ist Max-Planck-Präsident Hubert Markl dabei, und auch Wimbledonsieger Michael Stich, die Kabarettistin Maren Kroymann und Theatermacher Jürgen Flimm zeigen sich an der Bildung interessiert.

Nur an der entscheidenden Stelle hakt es: bei der Kultusministerkonferenz. Bei ihr wollen Lemke und Winnacker das Bündnis ansiedeln, um ihm politischen Rückenwind zu geben – aber auch, „um zu zeigen, dass es keine Konkurrenz zur KMK sein soll“ (Lemke). Doch eben darüber gibt es Streit in der Ministerrunde. Vor allem die unionsregierten Südländer sehen in einem bundesweiten Bündnis eine Gefahr für den über alles hoch gehaltenen Bildungsföderalismus.

Wehe, wenn’s ernst wird

Mit der Übernahme der KMK-Präsidentschaft durch die baden-württembergische Kultusminister Annette Schavan (CDU) scheinen die Chancen für das Bündnis nun noch schlechter geworden zu sein. Eigentlich wollten Lemke und seine Mitstreiter auf dem KMK-Plenum im Mai einen weiteren Gründungsversuch starten. Nicht zuletzt dafür haben sie ihr Projekt sogar umgetauft in „Netzwerk Moderne Schulen“. Das ist zwar irreführend, denn natürlich soll es auch um Hochschulen und Weiterbildung gehen, vermeidet aber zumindest die Anklänge an das „Bündnis für Arbeit“, die einigen KMK-Mitgliedern sauer aufstießen. Doch nach dem jetzigen Stand der Dinge wird sich die Ministerrunde auch dieses Mal nicht offiziell mit dem Projekt befassen.

So könnte der Traum vom großen Bündnis also schon bald ausgeträumt sein. Womit sich wieder einmal die alten bildungspolitischen Weisheiten bewahrheitet hätten: Gute Ideen alleine genügen nicht. Und: Geredet wird viel – doch wehe, wenn’s Ernst wird.

Eben dies könnte auch zum Problem für das „Forum Bildung“ werden, die andere große bildungspolitische Konsensrunde hier zu Lande. Gemessen am „Bündnis für Bildung“ ist das Forum durchaus ein Stück weiter: Es arbeitet bereits. Anfang 1999 von Bund und Ländern eingesetzt, soll es die Schwächen und Perspektiven des deutschen Bildungssystems ausloten und eine öffentliche Debatte über Reformen in Gang bringen. Die Themen reichen von den „Bildungs- und Qualifikationszielen von morgen“ über die „Förderung von Chancengleichheit“ bis zum „Lebenslangen Lernen“ und neuen „Lern- und Lehrkulturen“. Auch an Teilnehmern sind von Politikern über Arbeitgeber, Gewerkschafter, Wissenschaftler und Kirchenvertretern bis hin zu Studenten und Auszubildenden alle vertreten, die auch die Macher des „Bündnisses für Bildung“ gerne an einem Tisch versammelt sähen.

„Faszinierend“ sei die Arbeit, schwärmt Hans Konrad Koch, der den Arbeitsstab des Gremiums leitet. „Hier wird über Parteien- und andere Grenzen hinweg über konkrete Veränderungen diskutiert.“ Das freut auch die zwei Vorsitzenden des Forums, Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) und Bayerns Wissenschaftsminister Hans Zehetmair (CSU): „Hier wird über Inhalte geredet“, antworteten sie unisono auf die Frage, was das Forum von all den anderen Bildungsgremien unterscheide.

Selbsteinschätzung und Wahrnehmung von außen klaffen freilich weit auseinander. Dieser Tage legte das Forum seine ersten „vorläufigen Leitsätze“ vor. Sie sind kaum mehr als eine Ansammlung von Allgemeinplätzen oder ein Aufguss schon oft gehörter Forderungen. Bei den Bildungs- und Qualifikationszielen von morgen müssten die „Entwicklung der Persönlichkeit, die Teilhabe an der Gesellschaft und die Beschäftigungsfähigkeit“ immer zusammen betrachtet werden, heißt es da etwa. Eine der wichtigsten Aufgaben der Bildungspolitik sieht das Forum darin, „Barrieren beim Zugang zu Bildung zu überwinden.“

Der verschwundene Rat

Wie viel diese Forderungen wert sind, wird sich Ende des Jahres zeigen. Dann will das Forum Empfelungen präsentieren, die rasch umgesetzt werden sollen. „Das ist natürlich Sache des Bundes, der Länder und der Sozialpartner“, stellt Hans Konrad Koch vorsorglich klar. „Aber wir haben aus allen Bereichen Entscheidungsträger im Forum. Deshalb besteht durchaus die Erwartung, dass unseren Empfehlungen bald Taten folgen.“

Skepsis ist freilich angesagt. Das Forum wäre nicht das erste bildungspolitische Gremium, in dem die Politik Wohlfeiles absegnet, von dem sie hinterher nicht mehr viel wissen möchte. Nur dem fast schon legendären Deutschen Bildungsrat war es vergönnt, die meisten seiner Empfehlungen zur Öffnung des Bildungssystems und zur Einführung neuer Schulformen erfüllt zu sehen. Doch das ist gut dreißig Jahre her – und dem Bildungsrat zudem nicht gut bekommen. Vor allem den Ländern wurde das Gremium zu mächtig und auf ihren Druck 1975 schließlich aufgelöst.